Bei den diesjährigen #SOMEFL werde ich mit einem Seminar vertreten sein, in dem es darum geht, vor dem Hintergrund der Unternehmenskulturen von Energieversorgern das Thema »Strategie bei der Einführung von Social Media« mit den Teilnehmern näher zu betrachten. Ein paar allgemeine Gedanken dazu möchte ich im Folgenden bereits heute skizzieren, da sie auch für andere Branchen zutreffen und einen ersten Zugang für anschließende Überlegungen bieten. 

Obwohl Social Media inzwischen seit über zehn Jahren ein Thema ist, wird uns immer wieder die Frage gestellt: »Muss unser Unternehmen da auch sein?« Und die Antwort wird gleich mitgeliefert: »Das bringt doch für uns nichts! Auf Facebook etwa gibt es doch nur Katzenbilder!« Das ist der Moment, in dem mir wieder einmal auffällt: Das Thema Digitalisierung ist trotz der langen Zeit immer noch nicht richtig in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft angekommen.

Veränderte Gewohnheiten durch Digitalisierung

Eine Ursache liegt nach meiner Beobachtung darin, dass die Diskussion über digitale Themen oftmals zu sehr die Seite der Technologie und nicht die der Nutzerinnen und Nutzer beleuchtet. So reden die einen über eine digitale Revolution, Industrie 4.0 und Künstliche Intelligenz und verlassen damit oftmals den Vorstellungsbereich der Unternehmen und ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Andere wiederum sprechen hinsichtlich Facebook, Instagram, Tinder, Snapchat und sonstigen Netzwerken und die sich darin bietenden Möglichkeiten von  »schicken neuen Tools«, deren Sinnhaftigkeit sich für viele nicht erschließt.

Zielführender ist in meinen Augen ein Blick auf die Veränderungen im Mediennutzungsverhalten von Menschen, die sich mit Smartphone, Laptop und Tablet ausgerüstet durch den Tag bewegen. Lenkt man den Blick dorthin, wird deutlich, dass in allen Bereichen der Gesellschaft ein schleichender Wandel zu beobachten ist – verursacht durch den Wandel der Technologie. Folgende Beispiele verdeutlichen das:

  • Teens und jugendliche Erwachsene brauchen keine BRAVO mehr, um etwas über ihre Idole und Stars zu erfahren. Sie folgen ihnen direkt auf Twitter, Instagram & Co. Dies führt dazu, dass sie die Perspektive der Stars einnehmen und deren subjektive Sicht – etwa auf Papparazzi – ungefiltert erfahren und möglicherweise sogar übernehmen. Das Ergebnis: Es entsteht ein einseitig negatives Journalismus-Bild.
  • Wenn ein Verkäufer etwas von einem »unschlagbaren Angebot« erzählt, greift der Kunde heute nicht mehr umgehend zu, sondern zum Handy und googelt das Produkt – um zu merken, dass dieser Preis keineswegs »einmalig« ist. Altgediente Verkaufsstrategien und die Macht der Verkäufer verlieren an Boden.
  • Wer Kunde bei den derzeit angesagten Streamingdiensten ist, lernt, wie einfach die Welt sein kann: Abo abschließen oder wieder abmelden. Alles in Sekundenschnelle. Alles mit minimalem Aufwand und wenigen Klicks. Das Verständnis dafür, dass Kündigungen ausschließlich schriftlich oder nur zu festen Terminen mit sehr langen Vorlaufzeiten ausgeführt werden können, wird im Schatten von Angeboten wie Netflix, Spotify & Co. zusehends geringer. Ein komplexes und starres Vertragswesen in hergebrachter Form kommt damit auf den Prüfstand.
  • Seit der Einzelhandel und die kleinen Dienstleistungsbetriebe bei Facebook sind, nutzen mehr und mehr Kunden die Möglichkeit, abends vom Sofa aus außerhalb der Öffnungszeiten schnell mal via Messenger nach Terminen zu fragen – etwa beim Friseur. Nicht wenige engagierte Inhaber von Kleinbetrieben antworten darauf zeitnah. Wunderbar für den Kunden – und schnell eine feste Erwartung. (Andererseits können kleine Händler auf Facebook zur selben Zeit, zu der der Kunde auf dem Sofa sitzt, für ihre Produkte werben beziehungsweise ein Angebot posten, das den Kunden vor Social Media um diese Uhrzeit nie erreicht hätte!)

Betrachtet man diese Trends, dann ist die Frage, ob man etwa auf »Facebook« sein muss, ähnlich obsolet wie die Frage, ob das Unternehmen einen Telefonanschluss benötigt. Stattdessen sollte man überlegen: Wie agiert das Unternehmen »XY« künftig sinnvoll bei seiner digitalen Kommunikation? Wie stellt man sich auf die kommenden Veränderungen ein? Welche Angebote erwartet der Kunde? Welche Angebote möchte/muss man bereitstellen? Wie passt das alles in die bestehenden Prozesse und Kultur des Unternehmens?

Keine »Mission Social Media« ohne Strategie

Die Basis liefert eine Kommunikationsstrategie für die digitalen Kanäle. Sie sollte:

  • nach innen und nach oben überzeugen.
  • das Thema Ressourcen und Budget sinnvoll einbeziehen.
  • die Digitalisierung der Unternehmenskommunikation und des Marketings als integralen Change-Prozess verstehen.

Entscheidend für den Erfolg ist dabei, das Thema nicht zu klein zu fassen und ihm die notwendige Relevanz zu geben. Mit einem Ja oder Nein zu Facebook ist es da nicht getan. Umgekehrt darf man auch nicht zu umfassend an das Thema herangehen, weil dann Erfolge meist in weite Ferne rücken und statt mittelfristiger Maßnahmen langfristige Arbeitskreise etabliert werden. Letzteres führt allzu gerne dazu, dass bereits eingerichtete Kanäle in sozialen Netzwerken vor sich hinsiechen. Was nach außen übrigens meist schlimmer wirkt, als gar nicht da zu sein. Man kennt das aus der analogen Welt: Ohne geregelte Öffnungszeiten und Licht im Laden bleiben Kunden langfristig einfach weg.

Eine gute Strategie lässt sich deshalb nur dann entwickeln, wenn man strikt aus der Perspektive des Kunden denkt. Ob man sein Wissen über Kunden aus Studien zieht, aus den Anfragen auf den bestehenden Kommunikationskanälen, aus Marktanalysen oder beim persönlichen Kontakt mit dem Kunden, ist dabei weniger entscheidend. Wichtig ist zu verstehen, was Kundinnen und Kunden interessiert und wie sie begeistert werden können. Die beiden tragenden Säulen bei diesem Konstrukt: Content und Service.

Hinsichtlich Service gilt, dass der Wandel in den Kundenerwartungen hier zu rasanten Veränderungen führt. Digitale Kundinnen und Kunden setzen in erster Linie auf einen gut funktionierenden Selfservice. Erst wenn dieser an seine Grenzen stößt, möchten sie direkten Kontakt aufnehmen, sei es nun schriftlich oder (fern-)mündlich. Wichtig sind damit für digitale Zielgruppen in erster Linie gute webbasierte CRM-Systeme mit einer hohen Bedienerfreundlichkeit und Transparenz. Und für den Notfall Servicemitarbeiterinnen und -mitarbeiter, die mehr können, als der klassische »First Level Support«.

Für den Content gilt: Kundenkonversation ist wie Radiomachen – nur online. Um Kunden im Gespräch zu halten, muss das Unternehmen die jeweiligen Tagesabläufe und Befindlichkeiten kennen, in denen sich die Internetnutzerinnen und -nutzer befinden. Erfolgreicher Content dockt an ihre Nutzungssituation und Motivation an und bedient die Themen, die im Kopf des Kunden gerade Priorität haben. Das klingt schwierig bis unmöglich, ist es aber nicht, wenn man sich stärkere Gedanken über das Verhalten und die Lebenssituationen von Kundinnen und Kunden macht. Am Ende geht es um Empathie.

Erfolg im Kundendialog entscheidet sich also nicht an einzelnen Plattformauftritten, sondern daran, wie man Neues und Altes im Unternehmen verbindet und die Kundenerwartungen traditioneller und digitaler Zielgruppen am besten bedient. Mitarbeiter und Chef verstehen sofort, worum es geht, wenn sie in ihrer Rolle als Kunde des eigenen Unternehmens oder anderer Unternehmen im Mittelpunkt stehen. Ihnen wird dann sehr schnell klar, dass auch sie veränderte Erwartungen herausgebildet haben, die der Digitalisierung geschuldet sind. Noch deutlicher treten diese Veränderungen hervor, wenn man einen Blick auf die nachwachsende Generation wirft. Zu guter Letzt wird jeder verstehen: Dialog funktioniert heute anders als gestern. Dem kann sich kein Unternehmen mehr entziehen.