Bei der diesjährigen General Online Research (GOR) beschäftigte sich Hartmut Scheffler von TNS Infratest in der Keynote „Social Media – relevance and challenge for market and opinion research“ unter anderem mit dem Spannungsfeld Relevanz vs. Repräsentativität – ein Thema, das unsere Branche ein um das andere Mal umtreibt. Meinen Standpunkt zu diesem Thema möchte ich im folgenden Beitrag näher erläutern:
Repräsentativität ist unverzichtbar.
Das stimmt, wenn es um harte Messung wie zum Beispiel die Mediaanalyse, die Hörerzahlenermittlung oder Wahlforschung geht. Möchte man möglichst exakt bestimmen, wie Meinungen in der Bevölkerung verteilt sind oder wie sich Kunden demografisch unterscheiden, dann kommt man ohne repräsentative Daten nicht weit. Diese Tatsache ist bekannt, akzeptiert und wird sich auch nicht ändern.
Repräsentativität ist oft nicht forschungsökonomisch.
Befragt man aber nicht die Gesamtbevölkerung, sondern möchte man herausfinden, wie sich die Meinungen in kleinen Unterzielgruppen verteilen, dann ist Repräsentativität oft unbezahlbar.
Möchte man sich beispielsweise ein Bild von Jazz-Interessierten machen oder die genaue Struktur aller Nutzer von Espressomaschinen ermitteln, dann ist es fast nicht mehr bezahlbar, diese Teilgruppen repräsentativ abbilden zu wollen.
Noch extremer wird es, wenn man qualitativ oder online forscht. Hier ist es nicht möglich, über saubere Quoten- oder Zufallsstichproben an Teilnehmer zu gelangen. Immer spielt die Selbstrekrutierung eine Rolle, und damit kommt es – in Zeiten niedriger Teilnahmebereitschaft an Marktforschung – mehr und mehr zu Schieflagen.
Schein-Repräsentativität ist schlimmer als keine Repräsentativität.
Das Ergebnis sind viele Studien, die auf eine „Schein-Repräsentativität“ setzen. Obwohl man sich durchaus bewusst ist, dass man keine Datenlage hat, die belastbar verallgemeinert werden kann, geht man mit diesen Daten als valide Erkenntnis um.
Man „macht das Beste daraus“ und arbeitet mit den Daten, die man hat und von denen man weiß, dass sie möglicherweise „etwas schief“ sein könnten – nach bestem Wissen und Gewissen. Was soll man auch sonst tun? Schließlich stellt sich die Frage nach den Alternativen.
Relevanz könnte hier weiterhelfen.
Meiner Ansicht nach kann Relevanz als Zielgruppenkriterium bei diesem Dilemma durchaus weiterhelfen. Wenn man von vornherein weiß, dass man nur kleine Ausschnitte aus der Zielgruppe (qualitativ) befragen möchte oder es mit sehr niedrigen Inzidenzen zu tun hat (quantitativ), dann sollte man vielleicht nicht mehr an dem Wunsch nach Repräsentanten der Zielgruppe festhalten.
Stattdessen macht es Sinn, sich zu fragen, wer über ein besonderes Wissen, eine besondere Mitmachbereitschaft oder besonders viel Involvement verfügt, und sich diesen Teilgruppen gezielt zuwenden. Das bedeutet gleichzeitig, dass man auf Ergebnisse verzichtet, welche die Gesamtheit widerspiegeln. Dafür gewinnt man intensive und sehr valide Kenntnisse über eine spezifische Teilgruppe. Und zwar eine, die für die Forschungsfragen von besonderem Interesse ist.
Sehr geehrte Frau Haas,
intereressantes Thema und spannender Fimenname;-)
Das Thema Social Media sollte, gerade im Bezug auf Meinungsbildung und Zielgruppenverständnis, schon heute Relevant sein! Viele Unternehmen verstehen es nach noch gar nicht oder nur teilweise. Die Social Networks können am Endes des Tages nur so intelligent, wie der User der Sie füttert. Das setzt strategisches Verständnis der Kanäle voraus. Langfristig bietet das Social Web die valideste Datenlage der adressierten Zielgruppe, insofern diese aktiv in die Kommunikation einbezogen sind.
Was halten Sie von einem unternehmerischen Austausch?
Gruß Marcus Riesterer